Wahlkämpfe sind für Bürger manchmal Wahlkrämpfe. Müssen sie sich doch von allen Seiten mit blöden Sprüchen, hohlen Phrasen und von ständigen Wegelageren bedrängen lassen. Die Wochen vor einer Wahl sind mit Ausnahmeregelungen versehen. So dürfen auf öffentlichem Straßenland Großflächenplakate stehen, an Laternenmasten dürfen Plakate in Massen hängen und vor Bahnhöfen und Einkaufsmärkten stehen Infostände, die einem das ubehelligte Weiterlaufen erschweren. Manch eine Partei setzt sich dann auch gerne über Auflagen hinweg. So werden mit CDU Plakaten auch mal Verkehrsschilder überhängt, die Grünen werben in Gebieten, in denen der Nationalsozialismus gewütet hat, und die daher unter Wahlwerbeverbot stehen, die SPD stellt Wesselmänner an Kreuzungen auf, und nimmt damit Autofahrern die Sicht auf den Verkehr. Die 3-Plakate-pro-Laternen-Regel gilt scheinbar sowieso nicht mehr und zum Ende hin wird es immer schlimmer, denn jeder fürchtet einen Wettbewerbsnachteil, wenn er sich nicht auch über Auflagen hinwegsetzt. Von diesen Verstößen ist keine Partei ausgenommen, manchmal unbeachsichtigt, manchmal mit Vorsatz. Aber die Frage ist immer, wie man mit Vorwürfen reagiert. Erst kürzlich schreib mir ein Bürger, dass er die CDU auf eine Sichtbehinderung, und damit Gefährdung im Straßenverkehr, hingewiesen hat. Die trockene Antwort war: wir kommen Ihrer Bitte nach, aber erst nach der Wahl.

Heute konnte ich erneut ein interessantes Schauspiel beobachten. Frau Giffey, jene Spitzenkandidatin, die es mit der Ehrlichkeit nicht so genau nimmt, und deren Wahlkampfteam Photoshop perfekt beherrscht, posierte in Rudow und ließ dafür extra einen Truck mit Leinwand anrollen, der als Kulisse dienen sollte. Wohlbemerkt, ein dieselbetriebener Truck, auf dem ein Bild von einem Radfahrer zu sehen ist, um zu zeigen, wie ökologisch die SPD ist. Ignoranterweise stand dieser Truck genau an der einzigen dort befindlichen e-Ladesäule und blockierte gleich mehrere Parkplätze. Ein dezenter Hinweis wurde seitens der Verantwortlichen ignoriert und so musste auf Anzeige von Falko Liecke (CDU) und Carsten Schanz (LKR) schließlich die Polizei anrücken. Frau Giffey war außer sich vor Wut und diskutierte heftig mit den Beamten. Aber sie genießt eben keinen Bonus und als Bewerberin auf das Bürgermeisteramt, sollte sie mit gutem Beispiel vorangehen. Berlin braucht Problemlöser und keine Herrschwer, die sich gerne in Szene setzen.

Übrigens spucken sich auch Politiker gerne mal selbst in die Suppe. Erst vor kurzem baute sich der Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel (SPD) am Stand der Lieberal-Konservativen Reformer auf, weil das Plakat des Spitzenkandidaten Carsten Schanz dort vor dem Edeka hing. Dies sei nicht erlaubt und was er sich denn erdreiste. Schanz wieß ihn auf die betreffende Formulierung in der Genehmigung hin, die ihm recht gab. Aber das befriedigte Hikel nicht und er setzte seine Behörde in Gang, um die LKR abzumahnen, was natürlich haltlos war. Die Retoure-Kutsche bekam er dann selbst zu spüren. Der LKR-Politiker Schanz, der 34 Jahre in der CDU war und reichlich Wahlkampferfahrung sammeln konnte, zeigte nun jedes falsch gehängte Plakat von Hikel an, und das waren nicht wenige. Denn auch der Bürgermeister mit seinem Gutsherren-Gebaren nimmt es mit Regeln nicht so genau, und auch sein Kreisverband nutzt regelmäßig oben erwähnte Parkplätze an der e-Ladestation. Wenn es um die eigene Partei geht, ist man gerne bequem und nimmt sich Freiheiten heraus. Aber wehe, der politische Gegner macht das. Da wird sofort in Wild-West-Manier geschossen. Kein Wunder also, dass Bürger politikverdrossen sind und glauben, dass alle Mandatsträger verlogen sind.

Berlin hat andere Probleme als solche Kleinkriege. Diese Aufgaben werden leider seit Jahren immer gravierender. Wohnungsknappeit, schlecht ausgestattete Feuerwehr und Polizeiabschnitte, fehlende Kita-Plätze, dafür haufenweise Baustellen und Popup-Radwege. Man kann sich gut vorstellen, wie Berlin aussieht, wenn hier kein politischer Wechsel kommt. Berlin 2026 ist dann vielleicht keine Stadt mehr, in der ich gut und gerne lebe.

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