Wie leicht richten wir über Verbrechen, die andere begangen haben. Wir richten, weil wir nicht in deren Situation waren. Wie leicht lassen sich Mauerschützen verurteilen, die sagen: ich habe doch nur meine Pflicht getan. Mit welcher Genugtuung sehen wir, wie Nazijäger auch Jahrzehnte nach dem Holocaust ehemalige KZ Bewacher vor Gericht bringen. Der Grund liegt auf der Hand. Wir haben diese Zeiten nicht erlebt. Wir mussten solche Entscheidungen nicht treffen. Wir mussten nicht wählen, zwischen einem Schuss auf einen Grenzflüchtling oder dem Zuchthaus wegen Beihilfe zur Republikflucht. Wir kennen auch nicht die Wahl zwischen der Verhaftung von Juden oder selbst hingerichtet zu werden.

Freiheit ist ein Segen. Bildung hilft zu verstehen. Und vor lauter Segen und Verstand kommt dann Verachtung über Menschen, die nicht so gehandelt haben, wie es unser heutiges Werteempfinden erlauben würde. Es gibt nicht gerade wenige, die fest der Meinung sind, sie hätten nicht so entschieden. Sie hätten nicht geschossen. Sie hätten sich gegen die Nationalsozialisten zur Wehr gesetzt. Ich glaube, diese Leute sind so von sich überzeugt und linientreu, sie halten sich für so viel besser, dass sie die ersten wären, die ihre Nachbarn an die Gestapo verpfiffen hätten.

Um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, haben wir Schutzmechanismen installiert. Wir haben Freiheit, Föderalismus und Gewaltenteilung in unserem Grundgesetz verankert, nur um aktuell zu merken, wie wenig Wirkung das hat. Vor allem aber haben wir dafür gesorgt, dass wir nie wieder auf einen Führer schwören, sondern für das Volk. Wir haben unsere Exekutiven dazu erzogen selbständig zu denken und zu hinterfragen. Der Satz „ich tue doch nur meine Pflicht“ soll nie mehr Grund sein, dass jemand Leid erfahren darf.

Jetzt lassen Sie das bitte einmal kurz wirken. Wahrscheinlich können Sie mir bis hierher folgen. Dann fragen Sie sich bitte auch, warum Polizisten Maßnahmen durchführen und genau mit diesen Antworten kommen. Egal, wen Sie fragen, es sind alles nur Befehlsempfänger ohne eigene Meinung. Erst gestern sprach ich eine Polizistin an einer Straßensperre an. Sie antwortete nur stumpf „Ich soll nur hier stehen. Ich weiß nicht was das für eine Veranstaltung ist. Ich bekomme nur meine Befehle.“ Sie könnte also ein Treffen der Massenmörder bewachen und es würde sie nicht interessieren. Von den Menschen wird übrigens dasselbe verlangt. Auch hier ist Hinterfragen nur noch Querdenken. Minister lassen sich entmachten, Richter glauben das Richtige zu tun, wenn sie nach Mainstream urteilen. Selbst Lehrer setzen Maßnahmen gegen Schutzbefohlene um. Denn es kommt ja von oben. Und dann kann es nicht falsch sein. Falls doch, kann man ja immer noch sagen, man hat nur Befehle befolgt.

Diejenigen, die sich dann wirklich darauf berufen wollen, sollten sich aber im Klaren sein, dass falsche Anordnungen nicht befolgt werden dürfen, sonst macht man sich selbst strafbar. Was richtig und was falsch ist, werden Gerichte entscheiden. Und sollte sich herausstellen, dass Pflichttests von Schülern zu psychischen Störungen oder zu Verletzungen geführt haben, sind die Lehrer in der persönlichen Haftung. Das gleiche gilt für Ordnungsbeamte und Polizisten, die ebenfalls „nur“ Befehle verfolgt haben. Es passieren gerade Dinge auf den Straßen, die vor einem Jahr noch undenkbar gewesen sind. Und wenn sich irgendwann nach Corona Richter mit der Pandemie beschäftigen, werden auch Politiker, die zweifelhafte Verordnungen erlassen haben bestraft. Bei allen Maßnahmen müssen Erforderlichkeit, Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Ist das tatsächlich in den letzten Monaten bei jeder Entscheidung erfolgt?

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